Hugo Straßburger (1880-1942) und Familie – die verhängnisvolle Rückkehr aus Südamerika

Hugo Straßburger entstammte der bedeutendsten jüdischen Zirkusfamilie in Deutschland. Im Zirkus seiner älteren Brüder Adolf und Leopold, der später von Adolfs Sohn Carl übernommen wurde, arbeitete er vornehmlich als Stallmeister und Dresseur, trat aber auch als Reiterclown „Hugoletty“ auf. Mit seiner Ehefrau Karoline (*1880, geb. Janssen) hatte er drei Kinder, die ebenfalls zu Artisten erzogen wurden: Henriette (*1912), Adolph (*1914) und Amalie Isabella, genannt Bella (*1919).

Karoline, Adolph, Bella, Henriette und Hugo Straßburger (Zirkusarchiv Winkler, Berlin)

Die antijüdische Politik der Nationalsozialisten traf Hugo Straßburger mit voller Härte, denn während seine Brüder als „Halbjuden“ galten, fiel Hugo durch seine jüdische Ehefrau in die Kategorie der „Geltungsjuden“, die rechtlich den „Volljuden“ gleichgestellt war. Carl Straßburger sah sich gezwungen, seinem Onkel Hugo zu kündigen, vermittelte ihm und seiner Familie jedoch 1934 ein Engagement für die Südamerika-Tournee des Zirkus Stosch-Sarrasani. Acht jüdische Sarrasani-Mitarbeiter nutzten die zweijährige Reise durch Brasilien, Uruguay und Argentinien zur Emigration, doch Hugo Straßburger entschied sich im März 1936 trotz aller Warnungen für die Rückkehr nach Deutschland.

Mit dem Eintreffen des Schiffs im Hamburger Hafen griff das Berufsverbot für die jüdische Artistenfamilie. Bei einer Gestapo-Vernehmung im Mai 1936 musste sich Hugo Straßburger verpflichten, zum nächstmöglichen Zeitpunkt auszuwandern. Dank eines Engagements beim Cirque Amar konnte die ganze Familie bereits Anfang Juli 1936 ins französische Blois umziehen. Hugos Tochter Bella heiratete den belgischen Clown Eugène Babusiau und zog mit ihm nach Brüssel, wo sie den Krieg überlebte. Für die übrigen Familienmitglieder endete jedoch im September 1939 eine dreijährige Phase relativer Sicherheit.

Hugo Straßburger in Frankreich (Zirkusarchiv Winkler, Berlin)

Anders als in der Literatur bislang angegeben, wurden Hugo und Adolph Straßburger bereits zu Beginn des Krieges durch die französische Polizei festgenommen und als „feindliche Ausländer“ in das Internierungslager Gurs eingewiesen. Während der Sohn 1940 unter Auflagen wieder freikam und nach Blois zurückkehrte, blieb der Vater auch nach dem französisch-deutschen Waffenstillstand interniert. Anfang August 1942 wurde Hugo Straßburger nach Drancy verlegt und von dort in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er in den Gaskammern ermordet wurde.

Für die in Blois verbliebenen Familienmitglieder verschärfte sich die Lage im Juni 1942 mit der Einführung des „Judensterns“. Ende desselben Monats wurde Henriette von der deutschen Feldgendarmerie festgenommen und kurz darauf nach Auschwitz deportiert. Die Festnahme ihrer Mutter Karoline erfolgte am 9. Oktober 1942 im Zuge einer Großrazzia, für die keine Altershöchstgrenze mehr galt. Sie wurde in das Lager Beaune-la-Rolande eingewiesen und von dort im Februar 1943 nach Auschwitz verlegt, wo sich ihre Spur verliert.

Adolph Straßburger entkam hingegen seinen Verfolgern. Nachdem er im Juni 1942 seiner Festnahme durch Zufall entgangen war, versteckte ihn Shérif Amar zunächst in einer Zirkusremise in Blois und später in wechselnden Wohnungen in Paris und Aubervilliers. Einzelne Mitarbeiter und Verwandte Amars versorgten ihn mit Lebensmitteln. Nach seiner Befreiung blieb Adolph noch mehrere Jahre im Cirque Amar und verzichtete aus Dankbarkeit längere Zeit auf sein Gehalt. Erst 1951 zog er in die Niederlande, wo er wechselnde Engagements annahm, darunter auch bei seinem Cousin Carl Straßburger. Er starb 1974.

Autor: Martin Holler

Quellen:

Staatsarchiv Hamburg, 351-11 Nr. 4672, 5043 und 39489; Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Rheinland, RW 58/41748; Zirkusarchiv Winkler, Berlin; ITS Archives, Bad Arolsen, 1.1.9.1/11179680, 11180518 und 11182555; Günther, Ernst: Sarrasani, wie er wirklich war. Berlin 1991; Nissing, Herbert St.: Strassburger. Geschichte eines jüdischen Circus. Dormagen 1993; Denis, Dominique: Les Cirques des Frères Amar. Aulnay-sous-Bois 2006; Klarsfeld, Serge: Vichy – Auschwitz. Die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich. Darmstadt 2007.

 

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