Die Gebrüder Blumenfeld jun. – Untergang einer jüdischen Pferdezirkusdynastie

Alfons, Alex und Arthur Blumenfeld (Zirkusarchiv Winkler, Berlin)

 

Die Blumenfeld-Brüder Alex [eigentlich Emanuel] (1885-1942), Alfons (1887-1942) und Arthur (1889-1951) sowie acht weitere Geschwister entstammten einer weitverzweigten deutsch-jüdischen Wanderzirkusfamilie, aus welcher mehrere Zirkusunternehmen hervorgegangen waren. Zusammen mit ihrem Onkel Hermann waren die Brüder Besitzer am festen Zirkusgebäude in Magdeburg, welches sie jedoch überwiegend für Gastspiele anderer Zirkusse, Varietéveranstaltungen und Kinovorführungen vermieteten. Sie selbst widmeten sich ihrem 1919 gegründeten „Wanderzirkus Gebrüder Blumenfeld jun.“, in welchem sie auch selbst auftraten: Alfons mit Pferdefreiheiten, Arthur mit zwei dressierten Stieren und Alex mit der Hohen Schule auf seinem berühmten Pferd „Puppchen“, das zu Operettenrhythmen tanzte. Auch ein Teil ihrer Geschwister arbeitete in verschiedenen Funktionen im Zirkus mit. Wie so viele deutsche Zirkusse in den 1920er Jahren gerieten die Blumenfeld-Brüder jedoch bald in finanzielle Schieflage, weswegen 1928 ein Konkursverfahren für den gesamten Besitz eingeleitet werden musste. Der Konkurs zwang die Gebrüder Blumenfeld, fortan getrennte Wege zu gehen. Alex verbrachte die nächsten Jahre als Dresseur und Schulreiter saisonal in Skandinavien (Bech-Olsen, Altenburg) und den Niederlanden (Roberti), Alfons als Regisseur in Österreich (Medrano-Swoboda), während Arthur mit seiner Pferdefreiheit im deutschen Zirkus Adolf Fischer auftrat.

Alex Blumenfeld nutzte 1937 ein Auslandsengagement in Dänemark zur Emigration. Ein Jahr darauf zog er nach Belgien weiter, von wo er sich schließlich nach Frankreich absetzte. Seine Einreiseanträge für Schweden, Luxemburg und Großbritannien wurden abgelehnt. Mit Beginn des Krieges verschlechterte sich seine Lage noch weiter. Als „feindlicher Ausländer“ wurde er von der französischen Polizei festgenommen und im südfranzösischen St. Cyprien interniert. Eine Zeit lang stand er noch mit seiner Frau Eugenie (1893-1981), die der italienischen Zirkusfamilie Cardinale entstammte und in Belgien geblieben war, in Briefkontakt. Nach mehreren Verlegungen in andere Lager landete er schließlich in Drancy, von wo er am 14. August 1942 in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde. Damit verliert sich seine Spur.

Alfons Blumenfeld war bereits im Dezember 1938 mit seiner Frau Olympia, die der ungarischen Artistenfamilie Könyot entstammte, nach Paris ausgewandert. Während Olympia zu Kriegsbeginn im Lager Rivesaltes interniert wurde, kam Alfons nach Bram und durchlief anschließend mehrere Lager in Südfrankreich. Für beide endete der Weg im Sommer 1942 in getrennten Transporten nach Auschwitz via Drancy.

Arthur Blumenfeld hatte sich 1933 mit seiner Frau Victoria (1897-1990) und den beiden gemeinsamen Töchtern Rita und Eva in Berlin niedergelassen. Victoria stammte aus einem anderen Zweig der Familie Blumenfeld, erreichte jedoch, sich als angebliche Adoptivtochter mit unbekannter „arischer“ Herkunft registrieren zu lassen. Durch die vermeintliche „Mischehe“ war die Familie vor der Deportation geschützt, doch musste Arthur bis Kriegsende Zwangsarbeit leisten und die üblichen Diskriminierungen wie den Judenstern erdulden.

Arthur Blumenfeld verlor während der NS-Zeit neun Geschwister. Er und seine Schwester Jeanette (1897-1969), die in England lebte, waren die einzigen Überlebenden. Nach dem Krieg versuchte Arthur, den Zirkus Blumenfeld in Berlin wiederzubeleben. Ein schwerer Sturmschaden und die Folgen der Berlin-Blockade zwangen ihn jedoch Mitte 1949 zur Aufgabe. Zwei Jahre später starb Arthur Blumenfeld im Alter von 62 Jahren.

Autor: Martin Holler

Quellen:

Winkler, Gisela; Winkler, Dietmar: Die Blumenfelds. Schicksale einer jüdischen Zirkusfamilie. Gransee 2012; Otte, Marline: Jewish Identities in German Popular Entertainment, 1890-1933. Cambridge 2006; Bundesarchiv Koblenz-Berlin (Hrsg.): Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Koblenz 2006; ITS Archives, Bad Arolsen, 1.1.9.1/11180574, 1.1.9.1/11181011, T/D-724889 und T/D-888801; Zirkusarchiv Winkler, Berlin-Niederschönhausen.

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