Die französische Zirkusfamilie Amar im Sog des Zweiten Weltkrieges – Der Zirkus als Ort der Zuflucht, Internierung und Gefangenschaft

Ahmed, Mustapha, Ali und Shérif Amar. Ohne Datum. Archives Arlequin.

Der von Ahmed Ben Amar el-Gaid in Setif in Algerien gegründete Zirkus Amar entwickelte sich unter der Leitung seiner Witwe Marie Bonnafoux und seinen Söhnen Ahmed, auch genannt Amar aîné (1888-1963), Mustapha (1896-1980), Ali (1900-1967) und Shérif (1902-1978) zu einem der führenden Zirkusunternehmen Frankreichs. Um 1930 erwarben die Brüder Amar ein Grundstück in Blois (Zentralfrankreich) und errichteten auf diesem Gelände das Winterquartier für ihren Zirkus. Die Unterkunft umfasste Ställe für die Tiere und ein Gebäude mit Probemanege zum Einstudieren neuer Tiernummern. Im Sommer 1936 nahmen die Brüder die deutsch-jüdische Zirkusfamilie Straßburger auf, die sich ins französische Exil begeben hatte. Hugo Straßburger, seine Frau Karoline sowie ihre Kinder Henriette und Adolph arbeiteten bis zum Herbst 1939 im Zirkus Amar. Bei Kriegseinbruch wurden Hugo und Adolph in das Internierungslager Gurs eingewiesen, doch konnte Letzterer nach kurzer Zeit zu den in Blois verbliebenen Familienmitgliedern zurückkehren. Hugo und Henriette wurden 1942 nach Auschwitz deportiert, von wo sie nicht mehr zurückkehrten. Karoline erlitt 1943 das gleiche Schicksal. Nur Adolph entging seinen Häschern, da ihn Shérif Amar  versteckt hielt und mit Lebensmitteln versorgen ließ (http://www.divergingfates.eu/index.php/2018/10/22/hugo-strassburger-1880-1942-und-familie-die-verhaengnisvolle-rueckkehr-aus-suedamerika/?lang=de).

Vom Beginn des Krieges bis zur deutschen Besatzung nutzten die französischen Behörden das Amar-Gelände in Blois als  Internierungsort für deutsche Exilanten. Unter den Internierten war auch Ernst Heidelberg, der vor dem Krieg eine in der Nähe der Universität Sorbonne gelegene Buchhandlung geführt hatte. Er berichtete später von den harschen Unterbringungsbedingungen im Zirkuszelt.

Das Reisen war den Amar-Brüdern seit dem Kriegsausbruch untersagt. In der französischen Hauptstadt boten die Brüder während des Krieges drei Zirkusshows an: In Paris standen „Le Grand Cirque“ von Mustapha, der „Cirque International“ von Ali und „Le Nouveau Cirque de Paris“ von Ahmed und Shérif.

Im September 1942 wurden die Amar-Brüder als angebliche „Angehörige der jüdischen Rasse“ denuziert. Eine Untersuchung der mit den Deutschen kollaborierenden Behörden ergab jedoch, dass es sich bei den Brüdern um „reine Arier“ handele. Ihr Name habe nichts mit der „Jüdischen Bank Saul AMAR“ zu tun, sondern stamme von „AHMED BEN AMAR“.

Untersuchungsbericht zum Fall Amar (Archives du Mémorial de la Shoah, Paris)

Laut Edit Kleinbarth, die mit ihrer Familie zwischen 1946 und 1948 bei Ali Amar arbeitete und 1949 ein Engagement bei dem nun allein reisenden Shérif Amar wahrnahm, kamen damals in beiden Unternehmen deutsche Kriegsgefangene als Tierpfleger und Zeltarbeiter zum Einsatz. Kriegsgefangene ehemalige Wehrmachtssoldaten seien auch bei Gastspielen Ali Amars in Spanien und Nordafrika dabei gewesen. Lediglich ehemaligen SS-Angehörigen seien die Auslandsreisen untersagt gewesen.

Autor: Laurence Prempain

Quellen:

Auskunft von Edit Kleinbarth am 19.11.2018; Mémorial de la Shoah, Paris, CXV-85a; Archives du Loir-et-Cher, RV1620; Badia, Gilbert: Exilés en France: Souvenirs d’antifascistes allemands émigrés (1933-1945), Paris 1982; Dominique, Denis: Les Cirques des Frères Amar. Aulnay-sous-Bois 2006; Neilz, Claire: Histoire des logements du cirque Amar à Blois, http://www.caue41.fr/histoire-des-logements-du-cirque-amar-a-blois [letzter Zugriff: 24.10.2018]; Nissing, Herbert St.: Strassburger. Geschichte eines jüdischen Circus. Dormagen 1993; Sumpf, Alexandre: Les frères Amar, Histoire par l’image [en ligne],  http://www.histoire-image.org/fr/etudes/freres-amar; http://www.cirk75gmkg.com/2018/10/les-circassiens-juifs-pendant-la-guerre.html [letzter Zugriff: 24.10.2018]

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